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Studie belegt: Berufsbetreuer arbeiten 4,1 Stunden, bezahlt werden nur 3,3
hinzugefügt am 06-02-2017
BdB hält kurzfristige Anhebung der Vergütung für dringend erforderlich.

Hamburg, 6. Februar 2017 – „Der Bericht legt überzeugend die Notwendigkeit einer sofortigen Anpassung des Vergütungssystems für beruflich tätige Betreuer/innen nach VBVG (Vormünder- und Betreuervergütunsgesetz) nahe.“ Das sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen e.V. (BdB), Thorsten Becker, in einer ersten Stellungnahme zum zweiten Zwischenbericht zur Studie des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) zur Qualität in der rechtlichen Betreuung, der jetzt veröffentlicht wurde.

Die Einschätzungen des BdB zur Lage der Betreuung und der Betreuer/innen haben sich bestätigt. Der Zwischenbericht weist nach, dass Berufsbetreuer/innen pro Klient und Monat mindestens 4,1 Stunden aufwenden. Wird die Arbeitszeit von Mitarbeiter/innen voll einbezogen wird, sind es sogar 4,4 Stunden. Derzeit können aber nur 3,3 Stunden abgerechnet werden. „Dies führt dazu“, so Becker, „dass Berufsbetreuer sich aus purer Zeitnot viel zu oft gezwungen sehen, stellvertretend zu handeln, anstatt – wie es die UN-Behindertenrechtskonvention zu Recht fordert – gemeinsam mit dem Klienten Entscheidungen zu treffen, was viel mehr Zeit in Anspruch nimmt.“

Im Verhältnis zu einer vergleichbaren Gruppe des öffentlichen Dienstes (Vergütung: S12) liegt der Jahres-Rohertrag von Berufsbetreuer/innen deutlich unter dem Jahresbrutto vergleichbarer Arbeitnehmer/innen im öffentlichen Dienst. Der BdB fordert einen Anstieg von 44 auf 54 Euro pro Stunde.

Zugleich zeigen die erhobenen Strukturdaten eine erhebliche Schieflage des bestehenden Betreuungssystems; dieses droht im Fall des Nichthandelns in der Vergütungsfrage zusammenzubrechen, warnt Thorsten Becker. Der Bericht weise eine deutliche Überalterung bei den Berufsbetreuer/innen nach, aus denen ein massives Nachwuchsproblem resultiere, „da es in absehbarer Zeit nicht mehr gelingen wird, genügend Berufseinsteiger/innen zu gewinnen, um diejenigen zu ersetzen, die aus Alters- oder anderen Gründen aussteigen.“

Thorsten Becker weiter: „Grundlegende Veränderungen zu einer Verbesserung der Struktur des Betreuungswesen, wie sie bereits der Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung angekündigt hat, sind mehr denn je erforderlich. Der zweite Zwischenbericht bestätigt die seit langem vom BdB vorgetragenen Qualitätsdefizite im deutschen Betreuungswesen und stellt sie jetzt auf eine objektivierte, empirisch hoch repräsentative Grundlage als Basis weiterer Diskussion über eine Reform der Betreuung hin zu mehr Qualität und Professionalität.“
Die von der Regierungskoalition und dem BMJV im Januar angekündigte Gesetzesinitiative zur Erhöhung der Vergütung um 15 Prozent sei nun ein erster Schritt in die richtige Richtung, die strukturellen Rahmenbedingungen des deutschen Betreuungsrechts zu verbessern, so Becker: „Damit wäre das Überleben des Systems kurzfristig gesichert und die erforderliche Zeit gewonnen, um eine grundlegende Reform in Ruhe zu erörtern und umzusetzen.“

Abschließend sagte Thorsten Becker: „Für uns wird es nun darauf ankommen, insbesondere auf der Ebene der Länder, d.h. mit den politischen Leitungen der zuständigen Landesministerien und den Landtagsfraktionen, mit Nachdruck unsere Forderungen zu vertreten und aus dem vorgelegten Zwischenbericht zu begründen.“